“Wenn man aus Deutschland kommt, dann ist man reich und man arbeitet viel. So viel, dass man die Wochenenden benötigt, um sich auszuruhen.” Das habe ich in einem Gespräch hier in Lissabon gehört und war überrascht. Es wirkt schon sehr überspitzt, aber lasst uns das doch mal genauer anschauen.
Gehörst du zu den Personen, die freitags einfach mal gar nichts mehr können außer Ausruhen? Hattest du das schon mal, dass du im Urlaub erstmal krank geworden bist? Dass dein Körper überfordert ist von der schnellen Umstellung von 100% Arbeit auf Freizeit.
Arbeit bewirkt häufig Anerkennung. Anerkennung für sich selbst. Manchmal auch ein wenig von dem, was man sich selbst gar nicht so richtig geben kann. Man weiß, im Job ist man gut. Und das wird im Außen bestätigt. Arbeit füllt manchmal auch im Alter eine Leere, sodass man gar nicht aufhören möchte zu arbeiten, auch wenn es auf Grund des Alters schon möglich wäre. Und manchmal arbeitet man so gern, ist so begeistert und hat so viel Spaß, dass man alles um sich herum vergisst. Und dann ist die Woche rum. Man weiß, dass man gerne arbeitet, aber irgendwie war es doch zu viel. Man muss sich erstmal ausruhen.
Wie schaffe ich, dass das seltener passiert? Wahrnehmung ist meiner Meinung nach der Schlüssel. Hören, was man eigentlich benötigt und dem mehr nachgehen. Definitiv mehr Pausen integrieren, auf den Körper hören, jeden Tag etwas “Zeit mit sich selbst” investieren.
“Zeit mit mir selbst”? Ja! Das ist die Zeit, in der du für niemand anderen da bist, außer für dich. In der du das machst, was du gerade brauchst. Egal, was es ist… in einem Cafe sitzen, in der Natur sein, sich bewegen (z.B. Yoga ;)), kochen, tanzen, singen, Musik hören, meditieren oder einfach gar nichts machen.
Und noch ein Bereich der Wahrnehmung ist entscheidend, der Part, wie ich mich selbst wahrnehme. Man kann die Phasen der bewussten Erholung abwerten als Zeit, in der man nicht funktioniert, wie man sich das eigentlich wünscht, in der man sich zurückzieht und es als etwas Negatives wahrnimmt. Oder aber eben als eine Zeit, in der man sich bewusst rauszieht, in Verbindung geht mit seinem Körper und seinem Geist. Fühlt, was man braucht und sich annimmt in seinem Wesen. Es bewusst akzeptiert, dass man x-Zeit benötigt und sich sein lässt, wie man ist. Und genau das ist es, was es braucht, um es erlöst und entspannt zu erleben und nicht etwa frustriert oder genervt, weil nichts funktioniert. Wenn man diese Veränderung im Kopf hinbekommt, verbreitet sich das auch im Körper. Wenn man es genießen kann, nichts zu tun, nicht produktiv sein zu müssen, sich auch nicht im negativen Sinne als faul betitelt. In dem Moment vermeindlich nichts zu erschaffen und gleichzeitig doch so viel Raum in sich selbst für Erholung oder für Neues zu erschaffen!
In meinen Coachings liebe ich es zu sehen, wenn dieser Wandel stattfindet. Es ist so schön zu sehen, wenn man viel gnädiger mit sich wird, mehr Leichtigkeit in sein Leben holt und entspannter leben kann. Auch die Akzeptanz, dass zum Leben beide Phasen gehören. Die Phase, in der eine To-Do-Liste abgeharkt werden kann oder man im Außen ganz viel schafft und die Phase, in der man mehr nach innen fühlt. In der es ausreicht, einfach zu sein. Wenn man diese Phase genussvoll annehmen kann, voller Liebe, voller Akzeptanz. Und vor allem so, dass man nicht auf das Wochenende hinarbeitet und wenn man dort ankommt, zu kaputt ist.
Es gibt einen wunderschönen Text mit dem Namen “Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte…” von einer Frau, die im hohen Alter auf ihr Leben zurückblickt und beschreibt, fast schon aufzählt, was sie im Leben anders (er-) leben würde, wenn sie ihr Leben noch einmal leben würde. Vielleicht hast du Lust, den Text mal zu googlen. Mich haben ihre Zeilen beim ersten Lesen tief berührt. So zeigen sie uns das Geschenk und die Endlichkeit des Lebens auf. Manchmal lese ich den Text in meinen Yogastunden vor, um aufzurütteln, aus dem Hamsterrad herauszukommen und in dem Moment inne zu halten und zu leben. Um das Leben so zu leben, ohne Reue am Ende des Lebens fühlen zu müssen. Und für mich geht es in diesem Text auch darum, die Verantwortung für das Geschenk des eigenen Lebens zu übernehmen!
Auch wenn man vielleicht manchmal dazu neigt, die Verantwortung abgeben zu wollen. So als hätten all die anderen Personen im Außen die Verantwortung, der Arbeitgeber, die Eltern, der Partner, der Liebeskummer, die finanzielle Lage, der Chef, die Kinder und und und…
Dabei geht es um die eigene Verantwortung. Es geht auch darum, so zu handeln, dass du dich nicht irgendwann fragen musst, ob du dein Leben eigentlich richtig, erfüllt und glücklich gelebt hast und alles gegeben hast, was du geben wolltest. Oder ob du voller Reue noch so viel hättest ausprobieren und erleben wollen, wenn nicht all die äußeren Umstände dich davon abgehalten hätten? Ob du genug Zeit mit deinen Freunden, Verwandten, Kindern, deiner Familie erlebt hast? Und bevor das passiert, mache, wenn du Lust hast, eine kurze Übung mit mir. Schnapp dir einen Stift und einen Zettel und liste auf der einen Seite auf, was dich in deinem Leben unglücklich macht und was du, wenn du wählen könntest, auf der anderen Seite mehr (er-) leben wollen würdest. Wenn du fertig bist, schau es dir an. Das ist dein Leben, da steht es! Vielleicht schwarz auf weiß. Und dann übernimm Verantwortung für dich und mach dich glücklich!