Häufig entwickeln sich religiöse Rituale aus mystischen Experimenten oder Erfahrungen. Eine Person sucht nach einem neuen Weg zum Göttlichen, macht eine Erfahrung und kehrt in die Heimat zurück. Er bringt Geschichten vom Himmel, dort hinleitende Karten oder sonstiges. Die Gemeinschaft wiederholt dann die Worte, Werke, Gebete oder Handlungen des Menschens, um das auch erfahren zu dürfen. Und manchmal funktioniert das, manchmal nicht. Oftmals verfestigen sich sogar die originellsten Ideen zu Dogmen oder funktionieren nicht mehr für alle. Eine Geschichte, die ich hier in Indien von einem Yogalehrer gehört habe, beschreibt einen großen indischen Heiligen, um den sich die Anhänger treu im Ashram versammelten, um täglich zu meditieren. Die Herausforderung war das kleine Kätzchen, das der Heilige besaß. Ein ständig schnurrendes und miauendes Wesen, was durch den Ashram stromerte. Die Meditierenden fühlten sich gestört. Also überlegten sie sich, die Katze während der Meditation draußen an einem Pfosten festzubinden, damit sie nicht gestört wurden. Dies wurde zur Gewohnheit. Sie banden die Katze an und meditierten. Die Jahre vergingen und die Gewohnheit verfestigte sich zum Ritual. Schließlich konnte niemand mehr meditieren, wenn die Katze nicht am Pfosten festgebunden wurde. Eines Tages starb aber die Katze und panische Angst erfasste die Meditierenden. Eine ernsthafte Krise, denn wie sollte man nun meditieren? Wie sollte man zu Gott gelangen? In ihren Köpfen war die Katze Mittel zur Entrückung geworden. Hütet euch, warnt diese Geschichte, euch allzu sehr an eine Wiederholung religiöser Rituale, um ihrer selbst Willen zu klammern. Flexibilität ist also ebenso wesentlich wie Disziplin. Welchen Schmuck, welche tägliche Gewohnheit, welches Ritual hast du?